Predictive Maintenance – Vorteile der proaktiven und vorausschauenden Instandhaltung

Industrie 4.0 ist längst kein theoretisches Konstrukt mehr. Zahlreiche digitale Anwendungen kommen bereits zum Einsatz, die in der althergebrachten Welt nicht denkbar gewesen wären. Ein wichtiges Beispiel in diesem Zusammenhang ist Predictive Maintenance – die vorausschauende Instandhaltung. Unter Predictive Maintenance ist der Wartungsvorgang zu verstehen, der auf Grundlage der Auswertung von Prozess- und Maschinendaten ausgelöst wird. Predictive Maintenance-Techniken bestimmen den Zustand von in Betrieb befindlichen Geräten und Anlagen, um dank der Echtzeit-Verarbeitung der zugrundeliegenden Daten zu prognostizieren, wann und an welchen Teilen eine Wartung vorgenommen werden sollte. Der Instandhalter kann bereits beauftragt werden, bevor es zu einer Problemlage im Räderwerk der Anlage kommt. 
Durch solche bedarfsgerechten Wartungen sind Kosteneinsparungen gegenüber zeitabhängigen vorbeugenden Routinewartungen möglich. Außerdem reduzieren sich die Ausfallzeiten merklich, da die Stilllegung nur dann erfolgt, wenn sie auch tatsächlich erforderlich ist. 

Predictive Maintenance – Vorteil für Anlagenverfügbarkeit und Produktivität

Predictive Maintenance verfolgt das Ziel, durch eine möglichst genaue Instandhaltungsvorausplanung unerwartete Anlagenausfälle zu vermeiden. Die Anlagenzustände werden periodisch in bestimmten Zeitintervallen offline überprüft und die Daten in ein System eingespeist oder es erfolgt eine permanente Onlinekontrolle. Möglichkeiten zur Einschätzung der aktuellen Anlagensituation bieten bspw. automatisierte Überprüfungen mittels Infrarot oder Ultraschall. Auch Schwingungsanalysen und Schallpegelmessungen kommen zum Einsatz. Kollektoren im Anlagensystem sammeln die Daten, um sie dem Analysewerkzeug zur Verfügung zu stellen. 

Predictive Maintenance analysiert also den Zustand von in Betrieb befindlichen Anlagen, um zu prognostizieren, zu welchem Zeitpunkt Instandhaltungsmaßnahmen realisiert werden sollten. Ein wichtiger Analyseaspekt ist die Wahrscheinlichkeitsschätzung eines Störungseintritts in einem gewissen Zeitraum, der eine Reparatur oder den Einbau eines Austauschteils nach sich ziehen würde. Wenn das Schätzergebnis über einem bestimmten Schwellenwert liegt, wird das Teil bei einem Wartungsfenster ersetzt, auch wenn es auf den ersten Blick noch funktionsfähig ist. 

Die Standardanalyse sucht nach von der Norm abweichendem Verhalten bzw. Zuständen. Die Auswertung und Prüfung erfolgt in aller Regel maschinell durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), deren Methoden in der Lage sind, komplexere Szenarien zu betrachten. Oft sind KI-Methoden cloudbasiert und herstellergebunden. Die erhobenen Daten werden der KI zur Verfügung gestellt, durch sie kontinuierlich analysiert und bewertet – oft im Vergleich mit bereits vorhandenen Erfahrungswerten einer stetig wachsenden Datenbank. Daran anknüpfend erfolgt die Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeit für bestimmte Ereignisse. Auf dem Ergebnis basiert dann der Zeitpunkt des Wartungsfensters, das sich optimiert in den Produktionsprozess integrieren lässt. 

Wenn die Daten über eine Schnittstelle zum Internet also das Unternehmen verlassen, was der Normalfall ist, müssen immer Vorkehrungen zum Thema Cybersecurity und Datenschutz getroffen werden. Es sollte bspw. nur eine verschlüsselte Datenübertragung erfolgen, um zu verhindern, dass unberechtigten Dritten die Dateneinsicht ermöglicht wird. Hier ist immer an das Stichwort Industriespionage zu denken: Die übertragenen Daten enthalten schließlich sensible Daten zu Anlagenbe- und -zustand und Produktionsumfänge. Unabhängig von der Verschlüsselung dürfen unter Datenschutzgesichtspunkten aus den übertragenden Informationen keine Rückschlüsse auf Individualpersonen wie Anlagen- oder Wartungspersonal gezogen werden können. Außerdem sind Maßnahmen notwendig, die verhindern, dass von außen auf das interne System zugegriffen werden kann. Unter Risikogesichtspunkten ist zu bewerten, was passieren kann, wenn kritische Daten gestohlen oder veröffentlicht werden bzw. wenn in das System eingedrungen und es kompromittiert wird.

Kapazitäts- und Ressourcenplanung effizienter gestalten

Ein Vorteil der vorausschauenden Instandhaltung ist, dass dank der Kenntnisse, wann für welche Anlagen oder Geräte eine Wartung ansteht, die Kapazitäts- und Ressourcenplanung durch die Instandhaltungsabteilung effizienter gestaltbar wird. Es ist klarer, welche Ersatz-/Austauschteile bzw. Personalstärken zu welchem Zeitpunkt verfügbar sein müssen. 

Zahlreiche Inspektionen lassen sich parallel zum Anlagenbetrieb durchführen. Trotzdem notwendige kurzzeitige Anlagenstillstände können entsprechend geplant werden und führen in der Gesamtschau betrachtet zu einer Erhöhung der Anlagenproduktivität und -verfügbarkeit. Der Abfall der Leistungsfähigkeit oder gar ungeplante Ausfälle aufgrund größerer Schadenszustände können dank prädiktiver Eingriffe vermieden werden. Vorausschauende Instandhaltung kann alles in allem betrachtet die Lebensdauer der Anlage verlängern, da durch die bedarfsgerechte Wartung lebenszeitverkürzende Großschadenslagen weniger häufig eintreten. Neben diesen primären wirtschaftlichen Gesichtspunkten trägt Predictive Maintenance zur erhöhten Anlagensicherheit, zur Qualitätsverbesserung und zur Unfallvermeidung bei. Negative Folgen und Gefährdungen für Mensch, Natur und Technik werden verringert. 

Im konkreten Anwendungsfall in der Praxis des Kesselbetriebs bedeutet Predictive Maintenance, dass Aktoren und Sensoren sämtliche Komponenten der Anlage vom Dampfkessel bis zur Wasseraufbereitung sowie -rückgewinnung überwachen und die entsprechenden Zustandsdaten erheben. Mittels dieser Datensätze werden zum Beispiel starke Verschmutzungen im Kessel oder die Qualität des verwendeten Wassers detektiert. Es können Zustände erkannt werden, die sich negativ auf die Lebensdauer des Kessels auswirken. Die Datenbasis dient weiterhin als Grundlage für einen Schätzwert zur voraussichtlichen Restlaufzeit einzelner Verschleißteile, deren Austausch entsprechend geplant werden kann, bevor Ausfall und Produktionsstillstand eintreten. Kesselbetreiber sind in der Lage, kritische und kostspielige Schadenssituationen zu vermeiden und entsprechend wirtschaftlich zu agieren.

 

Vorteile der vorausschauenden Instandhaltung im Überblick

  • Erkennen von Ereignissen, Abweichungen oder Fehlern, bevor es zu großen Ausfällen bis hin zum Totalschaden kommt
  • Feststellen von Ursachen ungeplanter Ausfälle bzw. Fehler
  • Vorhersagen der Restlaufzeiten von Anlagen und Anlagenteilen
  • Verringern der Wartungszeit und Optimieren des Personalaufwandes durch frühes Planen von Instandhaltungs- und Wartungsfenstern
  • Erhöhen der Produktivzeit und Lebensdauer der Anlage